"Einheit der Kriminalwissenschaften?! Zum Verhältnis von Kriminologie und Strafrechtsdogmatik"

in: Festschrift für Dieter Dölling zum 70.Geburtstag: Die Kriminalwissenschaften als Teil der Humanwissenschaften
Die Festschrift erscheint lt. Verlagsankündigung im Mai 2023.

Abstract

Strafrechtsdogmatik und Kriminologie sind in der bisherigen Diskussion meist „feindliche Schwe­stern“, deren Verhältnis vor allem aufgrund ihrer unterschiedlichen Beurteilung der „Willensfreiheit“ irreparabel zerrüttet ist: Ein gemeinsames Band zwischen Strafrechtsdogmatik und Krimi­nologie („Gesamte Strafrechtswissenschaft“) kann es von diesem kontroversen Ansatz aus nicht geben.

Meine in dem Beitrag zur Festschrift Dieter Dölling dargelegte Konzeption stimmt mit der Auffassung des Jubilars (der den Streit über die Willensfreiheit für "wissenschaftlich un-entschieden" hält) im methodischen Ansatz überein. Aber wir können einen (kleinen, aber überaus folgenreichenden) Schritt weiterkommen: Im Gegensatz zu pauschalen und publizistisch motivierten Schlagzeilen ("Wir tun nicht was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun") führt eine differenzierte Bejahung der Entscheidungsfreiheit in einem Teilbereich zu einem "entschieden" anderen Weg. Die damit eröffneten positiven Perspektiven für eine „Einheit der Kriminalwissenschaften“ geben der Strafrechtsdogmatik die benötigte, von der Hirnforschung (methodisch fehlerhaft) in Frage gestellte Entscheidungsfreiheit als Argumentationsgrundlage für die Straftatlehre zurück. Der Kriminologie wird auf diesem Weg der uneingeschränkte, ihr bisher versagte Respekt vor dem Versuch gezollt, in dem (nicht nur statistisch, sondern vor allem wissenschaftlich) verbleibenden, überaus großen "Dunkelfeld" empirisch jedenfalls Schritt für Schritt etwas weiterzukommen.