Der Überfall Putins auf die Ukraine hat auf brutale Weise offenbart, dass 'Völkerstrafgewohnheitsrecht' faktisch eine völlig nutzlose Konstruktion ist.
Der in der Völkerstrafrechtslehre bisher nicht in Frage gestellte Ansatz beim Gewohnheitsrecht gehorcht der Not, nicht dem eigenen Trieb (Friedrich Schiller): Abgesehen von den wenigen vorhandenen verbindlichen Konventionstexten haben die Völkerrechtler nichts, worauf sie aufbauen könnten. Ihr Ansatz ist daher pragmatisch verständlich, aber im Strafrecht (anders als im Staats-, Zivil- und Wirtschaftsrecht, wo es "stillschweigenden" Konsens gibt) nicht einmal theoretisch tragfähig:
"Abschied vom Völkerstrafgewohnheitsrecht!"
in: Festschrift für Gerhard Werle zum 70.Geburtstag, Strafrecht und Systemunrecht, Berlin 2022, S.409 - 422
Abstract
Nach den überaus gründlichen, aufwändigen empirischen Erhebungen des Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Brsg. fehlt einem "Völkerstrafgewohnheitsrecht" die erforderliche tatsächliche Grundlage. Es ist damit auf der Grundlage der traditionellen Lehren zum Völkergewohnheitsrecht "Etikettenschwindel" bzw. (höflicher formuliert) eine bloße Wunschvorstellung.
Die realistische Alternative sind völkerstrafrechliche Übereinkommen. Sie sind theoretisch einfach begründbar und in der Sache zielführend:
Völkerstrafrechtliche Konventionen sind für supranationale Straftaten
- die allein tragfähige juristische Begründung für eine Bestrafung menschenverachtener Kapitalverbrechen,
- politisch ohnhin der einzig gangbare Weg,
- ein charakterlicher bzw. publizistischer "Prüfstein" gegenüber denjenigen, die sich nicht nicht an ihnen beteiligen (Putin u.a.) und damit
- eine auf lange Sicht erfolgversprechende Perspektive.